Die Zillertaler Tracht

Die Zillertaler Tracht

 

Der Begriff Tracht kommt aus alten deutschen Sprachformen, von dem „was getragen wird“. Es gab bis ins 18. Jhd. vorwiegend die traditionelle Kleidung eines Standes, einer Berufsgruppe. Sie alle trugen klar festgelegte Kleidung, die neben ihrer Schutz- und Schmuckfunktion auch eine Kennzeichnung darstellte (Ordenstracht, Amtstracht, usw.).

In Tirol gab es bis ins 16. Jhd. kaum Unterschiede in der Bekleidung der bäuerlichen Bevölkerung. Das Materialangebot aus dem Tier- und Pflanzenreich bestimmte zum größten Teil Stoff- und Herstellungsart sowie die Farben (Weiß, Braun, Grau, Schwarz). Doch auch die Tracht war einem Veränderungsprozess im Wandel der Zeiten unterworfen. Die Erscheinungsformen der Tracht passten sich an, nahmen neue, „fremde“ Elemente auf. Ab dem 18. Jhd. erweiterte sich die Bandbreite der verwendeten Materialien. Krämerläden und Wanderhändler boten schon bald farbige Stoffe, Borten und Zierrat auch in entlegeneren Gegenden an; heimische Saisonarbeiter und Kaufleute brachten aus anderen Regionen und Ländern Andenken, Geschenke oder wertvolle Accessoires mit. Getragen wurde, was gefiel, Stand und Rang entsprechend darstellte. Allerdings war und ist das Merkmal einer Tracht, dass Anpassungen und Änderungen langsam, über einen längeren Zeitraum geschehen. Die großen sozialen, ökonomischen und politischen Veränderungen des 19. Jhd. haben dazu geführt, dass die „Kleidung des Landvolkes“ oder die bezeichnete „Nationaltracht“ vielerorts abgelegt wurde. Impulse der Wiederbelebung der „alten“ Trachten kamen mit dem Bedauern über den Verlust dieses Kulturgutes vornehmlich aus dem städtischen Umfeld, oftmals verbunden mit wirtschaftlichen Interessen; Tracht wurde als verkaufsförderndes Mittel eingesetzt. Fahrende Sänger und Tanzgruppen, die in ganz Europa, ja in der ganzen Welt auftraten, Wanderhändler u. a., machten sich diesen Trend zunutze, späterhin Fotografen, Fremdenverkehrswerbung und schließlich Vereine wie Musikkapellen, Schützenkompanien, Trachtengruppen, usw. kleideten sich zunehmend einheitlich. Große patriotische Feste, öffentliche Zuschüsse, aber auch die bevorzugte Freizeitkleidung von Adeligen oder hochgestellten Persönlichkeiten in der Sommerfrische taten ihr Übriges.

Das Zillertal hat für die Tiroler Tracht allgemein wohl eine besondere Bedeutung. Vor allem durch die Konzert­reisen der Zillertaler Musik- und Sängergruppen im 19. Jhd. wurde diese Taltracht weitum bekannt, ja sogar vielfach zum Klischee für den oder die Tiroler. Sie entsprach den romantischen Vorstellungen dieser Zeit, was den Erfolg der Sänger durchaus steigerte.

Die wohl am meisten getragene Tracht im Zillertal ist das Röckl, die Festtracht der Frauen. Sie ähnelt dem im Unterland, Bayern und Teilen Salzburgs verbreiteten Kasettl, vor allem durch den tiefen viereckigen Miederausschnitt mit schmaler Passe, verziert mit Posamenten und Stickereiborten. Mieder und Ärmel sind jedoch aus Samt gefertigt, im Unterschied zum seitlich geschlossenen Kasettl an der Vorderseite durch einfache Hafteln verschlossen. Im Ausschnitt liegt das weiße oder farbig zur Schürze passende Seidentuch. Die Seidenschürze zum Röckl kann man aus Pastellfarben in möglichst kleiner Musterung wählen.

Der passende Frauenhut ist zierlich, aus feinem Material gearbeitet, mit schwarzer Kordel, Goldquasten und einer am Hinterkopf befestigten Masche aus schwarzem Seidenband. Diese Trachtenausprägung für Frauen wurde auch durchwegs in die Vereinstrachten des Tales übernommen.

Viele Zillertalerinnen ziehen zu festlichen Anlässen die Sonntagstracht der Frauen („Rote Tracht“) an. Mieder und Latz dieser Tracht bestehen aus rotem Wollbrokat oder Loden. Arm und Rückenausschnitt sind mit einem breiten, schwarzen, an den Achseln unterbrochenen Besatz aus Wollstoff oder feinem Loden belegt. Die Miederrückseite ist durch Bogennähte in drei Abschnitte unterteilt, die mit Blüten oder Lebensbaummotiven bestickt werden. Das Schnürband ist rot, die handgezogene Schürze aus blauem Wollstoff.

Die Festtagstracht der Zillertaler Männer (manchmal auch „Große Tracht“ genannt, ist vor allem durch den „Tuxer“, die hellgraue Lodenjoppe (Jacke, Janker) gekennzeichnet. Sie besteht aus der gewalkten Wolle des (Tuxer) Steinschafes mit schwarzen Wollborteneinfassungen, dreifacher Ziernaht und schwarzen breiten Ärmelstulpen aus Samt. Gefüttert ist der Tuxer original mit hellblauem „Matratzengradl“ aus Baumwolldamast.

Vor allem Schützen und Musikanten sowie Mitglieder von Traditionsvereinen tragen dazu eine Kniebundhose aus Leder oder Fustian (Teufelshaut). Den roten Brustfleck mit eingearbeiteter Brusttasche besetzen vom Hals­ausschnitt zur Brust je eine glänzende grüne, silberne und goldene Borte. Seitliche Knöpfe schließen den Brustfleck. Den schwarzen Flor legen die Männer um den Stehkragen des Trachtenhemdes, binden ihn zu einem Krawattenknoten und stecken ihn einseitig in den linken Armausschnitt des Brustflecks. Der Ranzen (meist Federkiel), weiße Kniestrümpfe mit Muster und schwarze Trachtenschuhe, die über die Knöchel reichen, vervollständigen diese Festtracht.

Charakteristisch für den Zillertaler Hut ist der geschwungene Gupf, die leicht nach unten gebogene, breite Krempe sowie die zwei nach vorn hängenden Goldquasten. Ebenso sitzen die Federn (doppelte Hühner- oder Hahnenfedern, manchmal mit Flaum, Spielhahnstoß oder bei Offizieren der Schützen die Straußenfeder) und der Blumenhutschmuck vorne.

Im Gegensatz zu Schützen aus anderen Landesteilen, tragen die Zillertaler Schützen keine Rangabzeichen und Auszeichnungen oft nur eingeschränkt. Offiziere erkennt man am Tragen des Säbels und an der Straußenfeder am Hut. Auf die Einheitlichkeit der Tracht wird im Zillertal großen Wert gelegt. So gibt es bereits seit 1998 eine einheitliche Adjustierungsrichtlinie der Schützen (erstellt von Hptm. Gerhard Biller), der Blasmusikverband Zillertal hat im Jahr 2012 ebenfalls eine Bekleidungsrichtlinie für seine Mitglieder erstellt. Die Adjustierungsrichtlinie der Schützenmarketenderinnen wurde im Jahr 2019 erstellt und (coronabedingt) im Jahr 2022 einstimmig beschlossen.

Die Sonntagstracht der Zillertaler, „Kleine Tracht“ genannt, besteht aus einer langen schwarzen Hose mit Bügelfalte, der schwarzen Weste mit schwarzen Knöpfen, dem weißen Kragenhemd mit schwarzer Krawatte und dem niederen, dunkelgrauen schmalkrempeligen Filzhut mit schwarzem oder grünem Hutband, weißer Feder mit Flaum und Blumen. Auch in dieser Ausprägung der Tracht fehlen weder der gestickte Ranzen ein Blickfang an der dunklen Kleidung noch der Zillertaler Tuxer. Die „Kleine“ begleitet den Zillertaler von der Wiege bis zur Bahre und wird bei Taufen, Erstkommunion, Firmung, Hochzeiten, Familienfesten und Beerdigungen getragen.

aus: Tiroler Landestrachtenverband (Hrsg.) (2018): Die Trachten Tirols. Verlag Berenkamp, Wattens; 399 Seiten.

Literaturempfehlung

Assmann, P., Bodner, R., Berger K. C. (Hrsg.) (2020): Tracht. Eine Neuerkundung. Tiroler Landesmuseen; 224 Seiten.

Südtiroler Bäuerinnenorganisation (Hrsg.) (2014): Inser beschtes Gwond. Frauentrachten aus dem südlichen Tirol; Verlag Effekt! , Neumarkt, 308 Seiten.

Lipp, F. , Längle. E., Tostmann, G., Hubmann, F. (Hrsg.) (1984): Trachten in Österreich. Geschichte und Gegenwart. Verlag Brandstätter, Wien. 263 Seiten.

 

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