Das Tiroler Landlibell
Die „Gründungsurkunde“ des organisierten Schützenwesens in Tirol
Am 23. Juni 1511 legte Kaiser Maximilian I. im Einvernehmen mit den Tiroler Landständen fest, dass die Stände zur Verteidigung des Landes Kriegsdienste zu leisten hatten. Das Landlibell bildete einen Teil der Tiroler Landesverfassung und regelte die Ausgestaltung des Militärwesens. Seine Gültigkeit und Fortschreibung erstreckte sich schließlich bis zum Ende des 1. Weltkriegs im Jahr 1918.
Das Landlibell beinhaltete weiter, dass das Aufgebot und der Landsturm nur innerhalb des Landes Tirol Kriegsdienst leisten mussten, und dass ohne Bewilligung der Landstände kein Krieg begonnen werden durfte, der Tirol betraf. Damit war auch das Recht verbunden, dass jeder Wehrfähige eine Waffe tragen durfte und dies begründete das Schützenwesen in Tirol!
Das Landlibell regelte im Fall einer feindlichen Bedrohung das Aufgebot, Zuzug genannt, sowie die Aufbringung der hierfür nötigen Geldmittel. Die wichtigste Bestimmung war die Verpflichtung aller Stände, zur Verteidigung des Landes Kriegsdienst zu leisten, dies allerdings nur innerhalb der Landesgrenzen. Die Verteidigungsmannschaft bestand, je nach Bedrohung, aus zwei Gruppen: dem Aufgebot, das je nach Gefahr 5.000 bis 20.000 Mann umfasste und zu dem jedes Landgericht und jede Stadt eine festgelegte Anzahl von Wehrfähigen zu stellen hatte, und dem Landsturm, wo bei einem plötzlichen Einbruch des Feindes in einer Art Generalmobilmachung alle Wehrfähigen vom 18. bis zum 60. Lebensjahr aufgeboten wurden.
Für diese Wehrleistung waren die Tiroler aber von jedem Kriegsdienst außerhalb der Landesgrenzen befreit, und Kaiser Maximilian verpflichtete sich weiters, keinen Krieg ohne Bewilligung der Landstände zu beginnen, der durch oder über Tirol führte. Andererseits verpflichtete der Kaiser die Tiroler zur selbständigen Verteidigung ihres Landes, gestand ihnen aber auch das Tragen von Waffen zu. Den Tirolern die Waffenfreiheit zu gewähren, konnte Maximilian nur in einem Land wagen, das keine Leibeigenen kannte, wo vom Ritter bis zum Bauernknecht seit Jahrhunderten jeder ein freier Mann war.
Das Landlibell kam den Tiroler Bestrebungen nach Eigenständigkeit sehr entgegen. Die Tiroler fanden sich bald in freiwilligen Schützenkompanien zusammen und verteidigten das Land gegen Venezianer, Bayern und Franzosen. Das Landlibell von 1511, dessen 500. Jahrestag wir heuer begehen, ist untrennbar mit dem Gesamttiroler Schützenwesen und mit dem Selbstverständnis des ganzen historischen Tirols und seiner Menschen verbunden. In einer Reihe von Veranstaltungen und Festakten wurde im Jahr 2011 dieses einzigartigen Dokuments und kaiserlichen Privilegs gedacht.
Buchempfehlung
Schennach, Martin P. (2011): Das Tiroler Landlibell von 1511. Zur Geschichte einer Urkunde. Schlern-Schriften 356, Universitätsverlag Wagner.
Schennach, Martin P. (2003): Tiroler Landesverteidigung 1600-1650. Landmiliz und Söldnertum. Schlern-Schriften 323, Universitätsverlag Wagner.